Und das Leben geht weiter!

Chronologie eines Ereignisses und deren Folgen.

Anfang 2011

Wenn ich zur Arbeit fuhr, saß ich immer schief im Auto, hatte zu mindest das Gefühl.
Manchmal dachte ich, „hast du einen Schlaganfall gehabt?“. Mein rechter Arm war zeitweise sehr teilnahmelos. Diese Gedanken wurden jedoch schnell verdrängt. Männer werden nicht krank!!
Beim Umbau unseres Reihenhauses, was wir für unseren sorgenfreien Rentneralltag erworben hatten, und dem darauffolgenden Umzug  bin ich oft sehr gebückt gelaufen. Zur Entspannung hab ich mich dann ganz flach auf den Boden gelegt, um mich zu strecken. „ Das ist die Last der Arbeit“, habe ich mir gesagt. Jetzt weiß ich es besser. Rückblickend muss ich feststellen, dass ich bei den Gesprächen mit dem Hausverkäufer schon große Defizite  hatte. Ich war  zum Teil gar nicht „anwesend“.

„Was starrst du so?“, musste ich mir von Gabi, meiner Frau, öfters anhören. Es war ein starrer Blick, teilnahmelos, in den Raum. „ Es ist nichts“, war dann meine Antwort.

Mein rechtes Bein war immer etwas unruhig. Früher sagte man“ Ich habe das Zipperlein im Bein“.

Fehler  schlichen sich ein. Wo? Bei der Arbeit.
Da war der zweite Buchstabe des Wortes groß geschrieben.
Bei Zahlen saß das Komma an der falschen Stelle. Zahlendreher passierten mir öfter. Unmöglich, wenn es bei der Kalkulation um Beträge in Millionenhöhe ging. Aufträge gingen verloren, da von 1000 Positionen zwei nicht ausgefüllt waren. Die öffentliche Hand ist gnadenlos. Es zählte auch nicht, wenn man für ein Projekt das ganze Wochenende geopfert hatte. Die Situation auf Arbeit spitzte sich zu.
Dann folgte das unumgängliche Personalgespräch. Habe alles über mich ergehen lassen, ohne die 
geringste Gegenrede, obwohl diese angebracht gewesen wäre. War einfach nicht im Stande.

Letztendlich tat ich das, was Gabi mir schon öfter gesagt hatte, „ Geh zum Arzt! Wenn du auf der Schnauze liegst, interessiert sich keiner von deiner Arbeitsstelle dafür“. Wie wahr, nach wenigen Wochen der Krankschreibung kam die erste Kündigung.
So bin ich im Juli 2011, mein Akku hatte eine Tiefenentladung erfahren, zur Hausärztin gegangen.
Mit der Erkenntnis, dass ich „ Scheiße aussehe“, ich wog zu der Zeit noch ca. 66 kg, und der Tatsache, dass eine Krankschreibung längere Zeit notwendig ist, habe ich die Praxis mit dem Rezept für Antidepressiva verlassen. Die harte Aussage war treffend, kannten wir uns doch schon viele Jahre und mein beruflicher Alltag war ihr wohl bekannt.
14 Tage später, der Folgetermin bei K.F., so will ich meine Hausärztin weiter nennen, war so angesetzt, folgte die Überweisung zur Neurologin. Den sofortige Termin – „just in time“-, meine Frau ist ja freiberufliche Englisch- Lehrerin, habe ich ihr zu verdanken. Ohne ihre Beharrlichkeit hätte ich einen Termin im Oktober 2011 erhalten.
So kam die Stunde der Erkenntnis zeitnah, am gleichen Tag.
Ein kurzes Gespräch bei der Neurologin, der Blick in die Augen, die Kontrolle des Gangbildes und die
Beweglichkeit der Muskulatur ergaben die Diagnose Parkinson. Ein Eldopa-Test  rundete den Weg der Erkenntnis ab.
Bis zur Bestätigung der Diagnose hatte es noch bis Oktober 2011 gedauert.

-MRT

-Nuklearmedizin

danach stand es fest,  ich habe Parkinson.

Was geschah in der Zeit bis Oktober 2011 und danach?

Die Diagnose hat mich schon beunruhigt – jedoch mehr im Hintergrund meiner Gedanken.
Aus dem Gleichgewicht hat sie mich nicht geworfen. Das waren andere Dinge. In Vordergrund stand, dass ich in den nächsten Wochen nicht wieder zur Arbeit gehen musste. Diese Erkenntnis hat mir vordergründig geholfen. Die ersten Wochen nach meiner Krankschreibung habe ich das nachgeholt, was mein Körper gebraucht hat, nämlich Schlaf. Wie viele Stunden am Tag es gewesen sind, mag ich nicht genau zu beziffern. Manchen Nachmittag habe ich „verschlafen“.
Präsent war jedoch immer der Tremor. Mal mehr oder auch weniger. Es kam ganz auf die Situation an. Ein Anruf aus der Firma, so war es mit der Ruhe vorbei. Der Körper reagierte von selbst und war nicht zu steuern. Die Sprache wurde unsicher und der Tremor war nicht kontrollierbar.
Galt es Formulare auszufüllen, hat dies Gabi fast immer übernommen. War ja noch nie mein Ding und jetzt war es noch schlimmer. Die Schrift wurde noch schlechter als sie schon war, immer kleiner und unleserlicher wurde sie. 
Begleitet über die ersten Monate haben mich die ständigen Recherchen im Internet zu meinem Gegenspieler.
All die vielfältigen Formen des Morbus Parkinson, ob Tremor, Rigor und so einiges mehr, hat mich wohl bewegt. Erschüttert hat es mich bis heute nicht. Betrachte ich jedoch mögliche Endstadien der Krankheit, so möchte ich nicht, dass meine Familie diese erleben muss.

Alltägliche Dinge sehe ich plötzlich gelassener. Ereignisse relativieren sich. Andererseits  muss ich mir anhören, dass ich auf einige  Menschen, die mir in ihrem Verhalten nicht zusagen, recht stark reagiere und dies auch sehr deutlich zum Ausdruck bringe, ohne ein Gespür für die Situation.